Ab in den Norden

Nachdem ich bereits etwas vom südlichen Patagonien sowie Zentralchile gesehen hatte, zog es mich nun in den Norden – genauer gesagt nach La Serena. Dort habe ich eine ganz besondere Zeit verbracht.

Ungefähr 400 Kilometer nördllich von Santiago liegt die ebenfalls nicht gerade kleine Küstenstadt La Serena. Dort angekommen, bin ich erstmal durch die Stadt spaziert. Dabei bin ich an vielen Läden, Parks und öffentlichen von Palmen gesäumten Plätzen vorbei gekommen, bis ich schließlich auf einer großen Feria gelandet bin – da konnte man Unmengen an handgefertigten Sourvenirs finden. Mein Geldbeutel war nach dem Besuch der feria um einiges leichter.

Arbeiten, tanzen & Wellen reiten

Nachdem ich mir ein erstes Bild von der schönen Stadt gemacht hatte, bin ich dann eine AFS-Freundin, die ihren Freiwilligendienst dort verrichtet, bei ihrer Arbeit besuchen gegangen. Sie arbeitet bei Teletón – das ist eine im ganzen Land bekannte gemeinnützige Organisation, die sowohl mit körperlich als auch mit geistig behinderten Menschen arbeitet. Einmal im Jahr veranstalten sie landesweit einen riesigen Spendenmarathon, ähnlich dem, den meine Arbeitsstelle des Club Leones Cruz del Sur für die südliche Region Magallanes im Dezember veranstaltet hat. Hier in Punta Arenas sagen sie immer: „Wir sind das Teletón in Chiles Süden“, da die Organisationen sich sehr ähnlich sind.

Meine Freundin hat mich dann ein wenig herum geführt und mir die verschiedenen Räume einer Reha-Klinik gezeigt sowie aktuelle Projekte erklärt – tolle Einsatzstelle für einen Freiwilligendienst.

Anschließend sind wir gemeinsam mit ihrer italienischen Gastschwester surfen gegangen. Dafür, dass ich zum 1. Mal in meinem Leben auf einem Surfboard stand, hab ich mich gar nicht so schlecht angestellt. Gegen Ende der Stunde bin ich die Wellen sogar stehend bis zum Strand geritten. Doch damit war der Tag noch nicht zu Ende – abends sind wir noch in einem Club am Strand tanzen gegangen und hatten eine tolle Nacht.

Kreuz von Coquimbo

Den Tag darauf haben meine Freundin und ich dann in der nicht ganz so schönen Nachbarstadt Coquimbo verbracht. Erst haben wir uns am Hafen mit mit Garnelen gefüllten empanadas gestärkt und dabei übrigens Seelöwen aus nächster Nähe beim Planschen zwischen den Booten zugeschaut, um anschließend den Hügel der Stadt zu erklimmen.

Oben angekommen hatten wir nicht nur einen Wahnsinnsblick auf Coquimbo, La Serena und den Pazifik – wir standen auch am Fuße des Wahrzeichens Coquimbos, einem großen Kreuz, dass man von überall des Strandes aus sehen kann.

Wunderschöner Ort

Am nächsten Tag haben wir uns dann aufgemacht, einen ganz besonderen Ort kennenzulernen: das Valle de Elqui. So nennt man das Gebiet etwas weiter im Landesinneren. Nicht nur, dass es zwischen all seinen kleinen Dörfern wunderschöne Landschaften zu bieten hat, auch das Wetter ist dort ganz eigen. Während es im nicht weit entfernten La Serena beispielsweise das ganze Jahr über nicht regnet, hat das Valle Elqui jeden Winter Schnee. Doch uns haben im Sommer dort über 40 Grad heiße Hitzwellen erwischt. Da waren wir um ein kühles Bier in einer Brauerei in einem der Dörfer sehr froh.

Neben einer Brauerei haben wir auch eine pisquera, wo sie das chilenische Nationalgetränk pisco herstellen, besucht und ein Gläschen direkt an seinem Ursprungsort genossen. Außerdem haben wir auf der Tour durch´s Valle de Elqui auch Eiscreme mit pisco-Geschmack, die dort wachsende, süße, gelbe Frucht papaya sowie die etwas saueren Früchte eines in dem Gebiet heimischen Kaktusses namens cacao probiert. Hat mir gut geschmeckt.

Cacao in seinem Reifeprozess

An dem Tag im Valle de Elqui haben wir aber nicht nur unsere Geschmacksknospen verwöhnt, sondern auch unsere Augen. Die Dörfer hatten ihren ganz eigenen Charme mit ihren grünen Marktplätzen vor schönen Kirchen und weiteren ferias. Auf dem Weg von einem Dorf ins andere haben wir dann unentwegt aus dem Fenster gestarrt und nicht schlecht über die riesigen, von Kaktussen gesäumten Hügel der Ausläufe der Wüste gestaunt – ein ganz besonderer Ort eben – erst Recht bei Nacht.

Wenn die Erde bebt

Da eine Mondfinsternis bevorstand und sich über dem Valle de Elqui einer der klarsten Himmel der Welt befindet, habe ich mich spontan dazu entschieden, meinen Aufenthalt um 2 Tage zu verlängern. Doch bevor ich die Mondfinsternis dann von dort aus beobachten konnte, gab es noch ein anderes großes Ereignis am Vortag – mein erstes Erdbeben.

Zwar wusste ich, dass Chile das Land der Erdbeben ist, doch trotzdessen war der erste Gedanke, der mir kam, als die Erde zu beben anfing: „Wieso sind denn so spät noch Bauarbeiten?“

Erst war da dieses Geräusch, wie von einer Maschine auf der Baustelle und die Erde hat nur leicht vibriert. Dann wurde es immer stärker und hat nicht mehr aufgehört – da kam mir dann der Geistesblitz: „Wir sind hier in Chile, das ist ein Erdbeben!“ Als die Möbel dann ein bisschen gesprungen sind und der Strom ausgefallen ist, hat mich auch endlich der Flucht-Reflex gepackt und ich bin vor die Tür meines Zimmers gerannt. Auf der Treppe angekommen, war das Erdbeben schon wieder vorbei.

Nachdem die Erde gebebt hat

Ich muss sagen, im ersten Moment war ich echt ruhig. Es war ja schließlich vorbei – das Hostel stand noch, mir ging es gut und ich war sogar um eine Erfahrung reicher. In der Lobby hat dann allerdings eine Frau geweint, weil sie gesehen hat, wie gegenüber des Hostels ein altes Haus ein bisschen eingestürzt ist. Zudem waren auch 3 deutsche Mädchen in meinem Alter in der Lobby ganz hibbelig und das Personal ist hektisch von A nach B gerannt und meinte, dass zwar nichts passiert sei, das Erdbeben aber trotzdem selbst für Chile eines der stärkeren gewesen sei. In den Nachrichten wurde dann berichtet, dass das Epi-Zentrum nur 30 Kilometer von Coquimbo entfernt lag und das Erdbeben aufgrund seiner Stärke von 6,7 auf der Richter-Skala in weiten Teilen des Landes zu spüren war.

Als dann draußen ein Tsunami-Alarm losging und ausnahmslos alle Handys bimmelten, um eine Evakuationswarnung anzuzeigen, war es mir dann endgültig auch etwas mulmig zumute. Vor dem Hostel sah man, wie die Leute vom Strand hoch in die Stadt liefen, genau wie die Autos. Es war Chaos auf den Straßen und man hörte Sirenen durch die Stadt tönen. Da macht sich nicht gerade das schönste Gefühl in einem breit.

Chile – das Land der Erdbeben

Die Tsunami-Warnung wurde dann aber schnell wieder zurück gezogen, der Strom kam nach 1,5 Stunden zurück und 2 Stunden nach dem Erdbeben lag ich schon wieder im Bett und habe mit einem Bekannten aus dem Valle de Elqui telefoniert, der mir dann ein bisschen was über Erdbeben in der Region erzählt hat. Sowohl 2010 als auch 2015 haben La Serena nämlich noch stärkere Erdbeben getroffen. Er hat mir dann erklärt, wie die Menschen damit umgehen und wie sich die Erde nun verhält – in der Nacht gab es 90 kleine Nachbeben, die an sich nicht schlimm waren. Lediglich für die Nerven waren sie eine kleine Herausforderung, da man jedes Mal darum bangt, dass es nicht stärker wird. Denn wenn es das wird, kann man absolut nichts dagegen tun. Was Naturgewalten angeht, stoßen wir Menschen an unsere Grenzen.

Nichts desto trotz habe ich in der Nacht gut geschlafen und war schon am nächsten Tag froh, diese Erfahrung gemacht zu haben. Jetzt weiß ich nicht nur, wie es sich anfühlt, wenn die Erde unter einem bebt. Ich habe auch Chile ein Stück näher kennen gelernt. Erdbeben gehören zum Land dazu, wie Pech zu Schwefel. In Chile hat 1960 sogar das stärkste je gemessene Erdbeben mit einer Stärke von 9,5 auf der Richter-Skala getobt. Insofern konnten wir ja froh sein, dass es diesmal „nur“ 6,7 waren.

Doch das Haus gegenüber und zerbrochene Weinflaschen im Supermarkt waren leider nicht die einzigen Spuren, die das Erdbeben hinterlassen hat. Da auf den Straßen zu einem Observatorium auch Steine im Weg lagen, hatte ich keine Möglichkeit, in der folgenden Nacht an einer Tour anlässlich der Mondfinsternis teilzunehmen. Dafür habe ich sie noch viel besser erlebt – nämlich im Valle de Elqui.

Unter dem Sternenhimmel

Ich hatte das Glück, dort eine Familie kennen zu lernen, die mir ein wenig über die Magie des Ortes erzählt haben. Sie selbst glauben daran, dass Steine aus dem Valle eine schützende Wirkung haben und tragen deshalb gerne Schmuck, der dort hergestellt wurde.

Die halbe Nacht haben wir dann draußen verbracht und darauf gewartet, dass sich der Mond in den Schatten der Erde schiebt. Mitten in der Nacht war es dann soweit – der Mond leuchtete kaum noch merkbar in dunkelorange und konnte den Sternen somit kein Licht mehr nehmen. Der Himmel explodierte vor Sternen. Er war gesäumt von tausenden Galaxien – es war, als könne man jeden einzelnen Stern, der existiert, sehen. Es war atemberaubend!

Und ich habe sogar meine erste Sternschnuppe hier in Chile gesehen – eine Wahnsinnsnacht und genau das richtige Ende für meinen Aufenthalt im schönen La Serena und seiner noch schöneren Umgebung.